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1. Thales <2025-02-17 Mo>

1.1. Der Satz des Thales

Thales hat eine wunderbare Entdeckung gemacht. Nach ihm trägt in Schulbüchern der folgende Satz seinen Namen. Es ist der Satz 31 aus dem Buch III "Die Elemente" von Euklid.


Satz: Ist \([A,B]\) der Durchmesser eines Kreises und liegt \(C\) auf der Kreislinie, so ist das Dreieck bei \(C\) rechtwinklig.


Dies ist erstaunlich! Es leuchtet nicht sofort so ein, dass sich klareres nicht denken lässt. Daher ist nach Gründen zu fragen. Aber bevor wir "Warum?" fragen, sollten wir die Aussage verstehen. Wir sollten zumindest die Bedeutung der Worte kennen. Auf welche Gegenstände deuten die Worte? Das Wort "Dreieck" versteht wohl jeder, der bis drei zählen kann. Aber schon beim Wort Kreis haben nicht alle ein klare Vorstellung. Ich schlage folgendes Experiment vor, liebe Leserin: Frage in deinem Bekanntenkreis nach, was ein Kreis ist. Schreibe die Antworten auf . Sie werden nicht einheitlich sein, wenn die Befragten nicht aus ein und derselben Geometriestunde kommen, in der das Wort Kreis erklärt wurde. Um den Begriff zu klären werden wir auf zunächst auf Kreise in der uns umgebenden Natur zeigen.


Pilze Wasserwellen Pilze Pilze

  • Pilze auf einem Herbstspaziergang im Wald bei Daun in der Eifel. Sie sind fast kreisförmig. Man kann auch einigermaßen die Mitte erkennen.
  • Ein Tropfen ist in eine Pfütze gefallen. Kreisförmig breiten sich die Wellen aus.
  • Zierlauch.
  • Pilze an einem vermodernden Baumstamm. Sie wachsen kreisförmig. Oder sollten sie kreisförmig wacen?Tun sie es nicht so fragen wir nach Gründen!


In allen diesen Bildern sehen wir von der Natur geformte Kreise. Oder bildet die Natur willkürlich irgend etwas und unser Geist erblickt in diesen Erscheinungen Kreise? Wir ersinnen uns Schablonen, oder Ideen. Durch die Augen, die Brillen dieser Ideen sehen wir Kreise? Die Kreise liegen daher vielleicht in unseren Augen? Man könnte es so formulieren: Sind die Kreise erfunden oder entdeckt?

In jedem Fall reichen die Bilder reichen nicht aus, um Kreise zu zeichnen, um einen Begriff zu bilden. Sie liefern keine Möglichkeit von einem neuen Bild zu entscheiden ob ein Kreis vorliegt oder nicht. Sie ermöglichen es auch nicht Kreise selber zu zeichnen. Dabei gehört es seit es denkende Wesen gibt zu den beliebtesten Dingen Kreise zu bilden.

Sonne von Josef Dieck Vase aus Zypern Maßwerkrose

  • Ein Mosaik von Josef Dieck in Mayen.
  • Eine Tonvase aus Zypern.
  • Ein Fensterrose in der Kathedrale St. Etienne von Sens. Es ist eine fünfblättrige Rose.

Ich schlage in der Nachfolge von Euklid folgendes vor:

Der Kreis um \(M \) mit Radius \( r <\) ist die Menge aller Punkte, die von \(M \)den Abstand \(r\) haben. Oder schreiben wir es in mathematischer Kürze:

\( K(M,r) =\{P| d(P,M)=r\}. \)

Wir sehen, auch in der Erklärung der Worte des Satzes werden wieder Worte verwandt, die wir als klar voraus setzen.

  • Wer hat schon einen Punkt gesehen? Ist er kreisförmig? Welche Farbe hat er? Was ist ein Punkt? Der Punkt eines Malers ist der kleinste Fleck, den er mit seinem Pinsel oder Bleistift auf das Papier malen kann. Ist es so etwas, wie ein Atom von dem Demokrit redet? Euklid sagt in seinem ersten Buch der "Elemente": Ein Punkt ist was keine Teile hat! Sind wir jetzt klüger? Ich hab das Gefühl, dass Euklid sich einfach aus dem Streit heraus halten wollte. Jeder hat eine andere Erfahrung oder Vorstellung eines Punktes. Er wollte den Begriff "Punkt" unabhängig von den speziellen Erfahrungen machen. Deswegen sagt er über einen Punkt irgendwas, was keiner nachprüfen kann. Heutzutage ist ein Punkt für die Mathematiker ein Element irgend einer Menge.
  • Was ist der Abstand zweier Punkte? Diese Worte kann der Lehrer wieder versuchen zu erklären. Was ist Abstand? Der Lehrer kann diesmal nicht auf einen Gegenstand in seiner Umgebung zeigen.

Er wird möglicherweise zwei Schüler herausrufen und ihnen einen Meterstab geben. Der Schüler Max hält den Anfang des Meterstab auf dem ersten Punkt fest. Der Schüler Moritz legt den geraden Meterstab durch \(A\) und \(B\). Dann liegt eine bestimmte Zahl des Meterstabes auf \(B\). Diese Zahl gibt den Abstand zwischen den beiden Punkten an. Der Lehrer gibt ein Verfahren eine Methode an, den Abstand zwischen zwei Punkten zu bestimmen. Diese Methode sollte immer zum gleichen Ergebnis führen. Zu zwei Punkten des Raumes gehört genau eine Zahl, der Abstand. Abstand ist eine Funktion, die jedem Paar von Punkten eine Zahl zuordnet. Zahl ist ein abstrakter Begriff, den man nicht einfach mit dem Finger zeigen kann. Um den Begriff Zahl zu deuten, können wir nicht auf Gegenstände in unserer Umgebung hinweisen. Auch der Begriff Funktion ist der Erklärung bedürftig. Wir sind bei etwas schwierigerem, zumindestens abstrakteren gelandet. Bohre wir nach grundlegendere Begriffe, so entfernen wir uns von der anschaulichen Welt, in der unsere Sinne, die Augen, Ohren uns leiten könnnen. Wieder fragen wir uns: Gibt es Worte, bei denen jedes vernunfbegabte Wesen sofort versteht, was gemeint ist? In dieser Welt und in diesem unseren Leben sicher nicht. Wir müssen aber irgendwo anfangen. Daher beschließen wir auf obige "Definition" zu bauen. Jeder hat schon gemessen, Schritte gezählt, oder Seile gespannt, die von einem Ort zum anderen führen. Also eine ungefähre Vorstellung von dem Begriff "Abstand" haben die meisten.

Merken wir uns:


Die Suche nach gleicher Erleuchtung für jeden wird vergeblich sein.

Die Suche nach den absolut festen Begriffen, auf die wir die Geometrie bauen können, ohne jemals in die Gefahr einer Revision zu kommen, führt zu keinem Ende. Kein Felsen, kein Grundsatz kann in Ewigkeit den Stürmen und Wellen der Kritik standhalten.

Aber haben wir Vertrauen. Falls die Fundamente jemals wackeln sollten, so wird es irgendwie gelingen sie zu befestigen, sie neu zu gründen, ohne den größten Teil des Gebäudes zu gefährden. Nun zum Beweis des Satzes. Eine Zeichnung ist sicher hilfreich.
Thales 1 Thales 2

Der Satz des Thales und seine Umkehrung.

Wir betrachten die linke Zeichnung.

Sei \(M\) der Mittelpunkt von \([AB]\). Dann gilt \(d(A,M)=d(M,B)=d(MC)\). Daher ist \(\alpha=\alpha'\) und \(\beta=\beta'\). Dies ist richtig, da im gleichschenkligen Dreieck die Basiswinkel gleich sind. Außerdem ist \(\alpha+\alpha'+\beta + \beta'=180^{0}\). Dies gilt, weil die Winkelsumme in jedem Dreieck \(180^{0}\) ist. Also ist \(2\alpha'+ 2\beta'=180^{0}\). Daher ist \(\alpha'+\beta'=90^{0}\).

Beleuchten wir den Beweis, so gibt zumindestens drei Stellen, an denen man Unverständnis zeigen könnte.

  • Es gibt offensichtlich so etwas wie ein Winkelmaß. Unter gewissen Voraussetzungen kann man mit diesem Winkelmaß wie mit Zahlen operieren. Winkel können addiert werden.
  • Sind in einem gleichschenkligen Dreieck wirklich die Basiswinkel gleich groß?
  • Warum ist die Winkelsumme in jedem Dreieck \(180^{0}\)?

Wollen wir dies wirklich verstehen, müssen wir beispielsweise über das Winkelmaß nachdenken. Das hat irgendwie damit zu tun die Länge eines Kreisbogens zu messen. Der Kreisbogen ist aber krumm. Selbst wenn wir annehmen, das Messen des Abstandes zweier Punkte sei vollständig gelöst, so stehen wir hier wieder vor vielen Fragen und Problemen.


Die Umkehrung des Satzes gilt auch in dem folgenden Sinne.

Satz: Ist in einem Dreieck \( \triangle ABC\) der Winkel bei \(C\) ein rechter Winkel, und ist \(M\) der Mittelpunkt der Seite \([A,B]\) so liegt \(C\) auf dem Kreis um \(M\) mit Radius \(d(A,M)\). <hr> <br>

Wir betrachten die rechte Zeichnung. Der Winkel bei \(C\) sei \(90^0\). Die Mittelsenkrechte von \([A,C]\) schneidet die Strecke \([A,B]\) in \(M\). Als Punkt der Mittelsenkrechten ist \(M\) von \(A\) und \(C\) gleich weit entfernt. Also ist \(\alpha=\alpha'\). Da nach Voraussetzung \(\alpha'+ \beta'=90^{0}= \alpha+\beta\) ist folgt: \(\beta'=\beta\). Sind in einem Dreieck die Basiswinkel gleich groß, so ist das Dreieck gleichschenklig. Also ist \(d(A,M)=d(C,M)= d(b,M)\). Daher liegen alle drei Punkte \(A,B,C\) auf einem Kreis um \(M\) mit Radius \(d(A,M)\). Dies war zu zeigen.

Author: andreas

Created: 2025-02-17 Mo 12:12

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